Kahl mags(?) – NEIN! Er mag es nicht!

Ich hätte es ahnen müssen! Nach dem Tod der Queen, die für mich der Inbegriff von Recht und Ordnung auf der Welt war, kann es eigentlich nicht mehr schlimmer werden… Es sei denn, es gehen auch noch Liebe und Verständnis.  Und so geschah es dann auch. Ich erhielt den schon lange befürchteten Anruf aus dem Pflegeheim, daß meine liebe Mami nun für immer schläft.

Jahrelang habe ich vor diesem Tag gezittert… und nun ist er da. Ich weiß nicht einmal, ob ich nun sie betrauern soll, daß sie gegangen ist, oder mich, für den nun eine sehr, sehr lange Aera zu Ende ist. Ich bin jetzt 67 und allein. Nun ja, nicht wirklich, denn inzwischen habe ich ja auch Frau und Kinder, aber meine „Kinderstube“ ist jetzt endgültig zu Ende. Bis jetzt hatte ich sie immer im Hinterkopf, weil sie schön war. Wir waren nicht reich, nicht berühmt und auch sonst nicht wichtig, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß ich mich bei dem Herrn ganz oben beschweren müßte, weil ich eine böse Kindheit gehabt hätte. Deshalb war ich auch mein Leben lang Optimist bis hin zum Klassenkasper. Das war die maximal erreichbare Stufe zum Comedian, der ich vielleicht hätte werden können. Aber die Öffentlichkeit wollte mich anscheinend nicht: Zum Schauspielstudium wurde ich nicht zugelassen und das DJ-Dasein wurde mir als 30-jährigem vergällt von 15jährigen Spinnern, die mit ihren vom Westonkel finanzierten Musikanlagen und Plattensammlungen prahlten. So etwas muß ich nicht haben, weshalb ich dann auch sofort die Chance zum Einstieg ins Taxigeschäft nutzte, weil die Menschen (damals) in diesem Bereich noch dankbar waren. Diese Zeit war zu großen Teilen unterhaltsam. Das kann man zum Beispiel hier lesen.
Ja ich weiß, vor allem mein Vater hat mit seinen restriktiven Ansichten nicht nur Gutes getan, aber das ist eine Sache, die ich erst jetzt erkannt habe, weil mir meine Mutter scheibchenweise Dinge erzählte, die ich vorher nicht wußte und mir dann wie ein gelöstes Puzzle einen Gesamteindruck vom Leben meiner Eltern bis zum Tod meines Vaters verschaffte. Trotzdem bin ich im Nachhinein nicht böse auf ihn, denn er kannte es nicht anders. Er war immer für uns da und was er geleistet hat bei der Pflege meiner Mutter, bevor er starb und sie ins Pflegeheim mußte, das ist mir bis heute fast unbegreiflich. Er hat mir eine Erkenntnis bestätigt, die ich Jahre zuvor beim Tod einer Mitmieterin in meinem Wohnhaus gewann. Diese hatte einen von Geburt an geistig behinderten Sohn und kümmerte sich um ihn bis zu ihrem Tod – mit 99! Ich glaube, das regelt die Natur: „Ich habe eine Aufgabe, also bleibe ich!“.  Aber soll ich mir nun wünschen, daß ich jahrelang pflegebedüerftig bin, damit meine Frau lange lebt? Auch Goethe kannte dieses Problem:

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält in derber Liebeslust
sich an die Welt mit klammernden Organen;
die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
zu den Gefilden hoher Ahnen.

Faust 1, Vers 1112 – 1117; Vor dem Tor. (Faust)